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Aphorismenschmiede




Neuigkeiten, noch ungeprüft

Die einfachsten Sätze können die schwierigsten sein.
Sie haben die härtesten Konsequenzen.

Es gibt keinen unbegrenzten Fortschritt.
Der Weg zurück ist schwerer als der Weg nach vorn.

Am Ende steht der Tod.
Ab der Mitte des Lebens wird rückwärts gelebt.
Sammle in der Zeit!
Nur wer genug Erinnerungen gebunkert hat, kann davon lang genug zehren im Lebenswinter.

Man kann den Kuchen nur einmal teilen.
Wenn dann das Mehl alle ist, gibt es auch keinen neuen.

Man kann zukünftigen Generationen nicht vorschreiben, dass sie es genauso gut haben sollen wie man selbst.
Vielleicht wollen sie es anders gut haben?

Man bemühe sich, jeden Text so zu schreiben, wie ihn eine KI nicht schreiben könnte.
LLMs sind Floskelweltmeister


Auszüge

 

Gedanken-Splitter

 Denken ist eine biologische Tätigkeit und kostet deshalb Energie. 
(Selbstdenken ist Energieverschwendung. Man spart, wo man kann). 

Es sollte Strafzettel für Falschdenken geben. 
(Wer zu viele Punkte hat, bekommt Redeverbot, vorerst befristet)

Das ist mir zu verkopft, sagte das Bauchgefühl, und knurrte, als ihm ein unverdauter Gedanke aufstieß.

Wenn der Wunsch der Vater des Gedankens ist, ist die Mutter meist die Phantasie.

Um große Sprünge zu machen, braucht man viele Gedanken im Beutel, sagte das Känguru.

  

Minima Moralia 

Jedes Urteil, das man ungeprüft übernimmt, wird wieder zu einem Vorurteil.

Das verbreitetste Vorurteil ist dasjenige über die Vorurteilsgebundenheit anderer Leute.

Ein freier Wille kennt keinen Grund.

Man kann nicht nicht Recht haben wollen.

Wer die Weisheit mit Löffeln gefressen hat, bekommt häufig Verdauungsbeschwerden.

Wer in seinem Leben gar nichts zu bereuen hat, hat etwas falsch gemacht.


Glückssachen

Jeder ist seines Glückes Schmied.
(die Kosten für die Schmiede sind nicht von der Steuer absetzbar!)

Pursuit of Happiness: Das Streben nach Glück ist ein Menschenrecht, nicht das Erreichen. 
(man muss zumindest vom Sofa aufstehen)

Wer seinem Glück zu heftig nachjagt, riskiert das eine oder andere Jagdunglück.

Wer auf die Idee kommt zu fragen, womit er sein Glück verdient habe, hat es schon verdient. 

Glück kann man nicht haben. 


Allzu Menschliches 

Wenn die Welt für die Menschen gemacht wäre, hätte sie mehr Freizeitparks und eine Hotline zum Lieben Gott.
(Außerdem hätte er Evaluationsbögen hinterlassen) 

Der Mensch ist das Maß aller Dinge.
(sagte das Universum und kicherte)

Der Mensch ist das Maß aller Dinge.
(notfalls bringt er sie auf menschliches Maß).

Vermessenheit: Der Mensch ist das Maß aller Dinge.

Behandle die Menschen so, als seien sie es wert, dass man sie liebt. 

Der Drang der Menschen, anders zu sein als die anderen, wird nur durch den übertroffen, genauso zu sein wie die anderen.  

 

Wirtschaften

Ökonomischer Imperativ: Die Frage "wer bezahlt?" sollte alle Entscheidungen begleiten. 
(das gilt auch für immaterielle Kosten)

Nichts ist umsonst.

Schadenersatz macht nicht klug.  


Selbsterkenntnis

Bewusstsein ist die rosa Brille, durch die das Gehirn auf sein Ich schaut
(wenn es auf andere schaut, nimmt es sie natürlich ab)

(Selbst-)bewusstsein ist das Problem, für dessen Lösung es sich hält.  

Identität ist ein schwacher Ersatz für Instinkte. 

Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zum Selbstmitleid. 

Das "Ich denke, und das möglicherweise falsch" muss all meine Vorstellungen begleiten können.

Das "Ich denke und werde dabei von meinem Gehirn manipuliert" muss alle meine Vorstellungen begleiten können.    


Anti-Romantische Fragmente

Wir treffen uns im Unendlichen, sagte der Romantiker, bevor er die Abkürzung über die Religion einschlug.

Romantische Ironie: Alles ist Fiktion, sogar die Fiktion, dass alles Fiktion ist. 
(wer zu viel abhebt, wird bald flügellahm)

Das Leben mit der Kunst verschmelzen. Die Prosa mit der Poesie. Das Leben mit dem Tod. Eines mit Allem. 
(Verschmolzen sind wir untrennbar, sagte der Schmelzkäse zum Toast. Alles die gleiche Pampe)

Philisterkritik des Romantikers: Schlafrock, Hausschuhe, Wampe. Trinkt Bier, hat keinen Sinn für Kunst. Denkt in Schubladen (Klappe zu!)

 Das Leben muss poetisiert werden, sagte der Romantiker, während er das letzte Exemplar der blauen Blume mit der Wurzel ausriss, um sie an seinen Hut zu stecken.
(seitdem steht sie auf der Liste der bedrohten Pflanzen)


Die schönen Künste

Kunst ist eine Lebensäußerung.
(und als solche völlig natürlich)

Gute Kunst ist verdichtetes Leben.

Schlechte Kunst ist durch Erfindung verwässertes oder übertriebenes Leben. 

Kunst ist eine der nötigsten und am schlechtesten bezahlten Dienstleistungen an der Menschheit.  

Kunst ist inspirierte Arbeit.

 

 Beziehungsweise

 Wer Schmetterlinge im Bauch hat, sollte nachdenken, ob er Raupen verschluckt hat.  

Liebesehen werden im Himmel geschlossen.
(Leider muss man anschließend den Wohnsitz wechseln)

 Er holte für sie das Blaue vom Himmel herunter. Danach war er nur noch grau. 

 Er las ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Leider war sie fehlsichtig. 

    

Altersfragen

Mit dem Alter wird man sich selbst immer ähnlicher. Man erkennt sich kaum wieder.

Die Hälfte des Alters verbringt man damit, die Fehler seiner Jugend zu verstehen (die andere neue zu machen). 

 Mid-Life-Crisis: Sie haben ihr Ziel erreicht, sagte das Navi. Bitte bei nächster Gelegenheit wenden!

Altersweisheit: Ich weiß, was ich nicht weiß.

   

Politisch Unkorrekt

Wer die Wahl hat, hat meist keine Lust.

Revolutionen enden meist damit, dass Unten und Oben die Plätze getauscht haben. 
(Die Mitte verliert immer)

Der kategorische Imperativ der Nachhaltigkeit: Handle jederzeit so, dass die nachfolgenden Generationen nicht unter den Folgen deines Handelns zu leiden haben. 

Der kategorische Imperativ der Voraussicht: Handle jederzeit so, dass die absehbaren Folgen deines Handelns das Gute, dass du damit bewirken wolltest, nicht zunichte machen.
(Auf dem Boden der besten Absichten gedeihen die größten Katastrophen. Regelmäßiges Umgraben hilft dagegen)

Wenn Wähler die eigene Partei wählen, sind sie mündig.
Wenn sie eine andere Partei wählen, sind sie manipuliert worden.
Wenn sie gar nicht wählen, sind sie unreif. 

Jeder wählt, wie er denkt. 

Demokratien tendieren mit dem Alter zur Polarisation.

Eine Demokratie, die nicht in Frage gestellt werden darf, ist eine Diktatur. 

a) Die Menschen lieben die Bequemlichkeit über alles.
b) Freiheit ist unbequem.
c) Es ist möglich, aus freiem Entschluss die Unfreiheit zu wählen. 

 

Freiheit

Die Gedanken sind frei. Wer einen fängt, darf ihn behalten (aber nur bei Bodenhaltung).

 Die Gedanken sind frei. Meinungen sind Käfighaltung im Kopf.

 Die Gedanken sind frei, sagte der Lehrer. Merkt euch das gefälligst!

 Ein wahrhaft freier Gedanke: Die Gedanken sind nicht frei!

 Der Preis der Freiheit: Agoraphobie.

 Der Mensch ist frei geboren, und überall kauft er sich Ketten.

 Ein freier Wille kennt keinen Grund.

 Freiheit ist, wenn man sie nicht ausnutzt.

 Freiheit sollte nicht übermütig, sondern demütig machen. 

 Freiheit ist notwendig.  


Pessimistische Parolen

Nicht alle Probleme sind lösbar.
(Die Bereitschaft zur Anerkennung dieser Tatsache ist ein Maßstab für geistige Freiheit)

Kassandra war nur eine Spezialistin für Worst-Cace-Scenarios
(um zu sehen, dass es mit dieser Menschheit nicht gut enden kann, braucht man keine prophetischen Kräfte)

Wenn die Bäume in den Himmel wachsen könnten, hätte der Himmel Löcher für sie.  

Der Bruch, der entsteht, wenn man den Glauben an ein Happy End für die Menschheit aufgibt, ist nicht mehr heilbar.

Abwarten und Tinte trinken, sagte die Welt, bevor sie unterging.

 

Aphorismenschmiede_2023
Aphorismenschmiede_2023.pdf (4.32MB)
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